PSI-Theorie: Ein innovativer Persönlichkeitsansatz

Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie (Kurt Lewin)

Mit der “Persönlichkeits-System-Interaktionstheorie” (PSI-Theorie) von Julius KUHL liegt nun ein systemisch-funktionaler Persönlichkeitsansatz vor, der zentrale Annahmen verschiedener Persönlichkeitstheorien zusammenfasst und eine große Zahl von Forschungsergebnissen aus Psychologie und Neurologie integriert.
Für viele Coaches, Berater und Therapeuten gehört die systemische Denkweise zum “Alltagsgeschäft”. Es hat sich gezeigt, dass das Denken in Wirkungsbeziehungen und Prozessen – also die die Frage nach dem “Wie” hilfreicher ist als die Frage nach Ursachen. Diese Erkenntnis hat jedoch lange gebraucht, sich auch in der Persönlichkeitsforschung zu etablieren. Der funktional-systemische Ansatz liegt nun mit der PSI-Theorie vor – mit erheblich positiven, praktischen Konsequenzen!

Funktionaler Ansatz

Die PSI-Theorie beschreibt das menschliche Verhalten durch das Wechselspiel psychischer Systeme.  In anderen Worten: die PSI-Theorie analysiert, wie die psychischen Systeme zusammenwirken, um Verhalten hervorzubringen. Kurz gesagt ist die PSI-Theorie ein funktionaler Ansatz, der nach den Prozessen fragt, die Verhalten steuern.

Dabei unterscheidet die PSI-Theorie 4 informationsverarbeitende Hauptsysteme mit unterschiedlichen Funktionen, die miteinander interagieren:

  • Ein System, das Verhaltensroutinen für Handlungen bereitstellt (Ausführungssystemintuitive Verhaltenssteuerung)
  • Ein System, das Absichten und Vorhaben speichert (Absichtsgedächtnis)
  • Ein System, das Abweichungen, Gefahren und Fehler registriert (DetailorientierungObjekterkennung)
  • Ein System, das den Überblick behält und menschliche Erfahrungen organisiert (Extensionsgedächtnis)

Zusamenarbeit der Systeme

Intuitive Verhaltenssteuerung & Absichtgedächtnis

Das Ausführungssystem (die intuitive Verhaltenssteuerung) arbeitet spontan. Wird eine Handlung notwendig, werden spontan Routinen zu Verfügung gestellt und abgerufen. Das ist immer dann nützlich, wenn erlernte Abläufe einfach umgesetzt werden sollen. Wenn man beispielsweise Tennis spielen geht, ist es nützlich, dass von diesem System die gerade passenden Handlungsroutinen ohne langes Nachdenken abrufbar sind. Intuitiv-spontanes handeln ist jedoch nicht immer nützlich. Manchmal ist es sinnvoll, einem spontanen Impuls nicht einfach nachzugeben – weil vielleicht die Situation im Moment ungünstig ist – und trotzdem die Absicht nicht aus den Augen zu verlieren. Hier kommt nun das Absichtsgedächtnis ins Spiel. Dort können unsere Absichten “aufbewahrt” werden. Es tritt eine Willenshemmung ein.
In dem Moment wo sich die Situation als günstig erweist, übernimmt die Verhaltenssteuerung wieder das Kommanda und die Absicht wird umgesetzt. Man spricht auch von Willensbahnung.

Personen, denen der Wechsel zwischen diesen beiden Systemen schlechter gelingt haben ein Übergewicht in einem der beiden Systeme. Eine zu stark aktivierte Verhaltenssteuerung führt zu einem  spontanen, sprunghaften Verhalten (mangelnde Selbstbremsung) – eine zu stark aktiviertes Absichtsgedächtnis zu Zögerlichkeit, Zurückhaltung bis zur Inititativlosigkeit (mangelnde Selbstmotivierung).

Intuitive Verhaltenssteuerung und Absichtsgedächtnis sind Partnersysteme.

Objekterkennung & Extensionsgedächtnis

Die Objekterkennung weist uns auf Abweichungen von Vertrautem hin. Fehler und potenzielle Gefahrenquellen werden gemeldet. Das sorgt natürlich für Unruhe und die Fluchtbereitschaft wird erhöht. Das Extensionsgedächtnis mit seiner Lebenserfahrung ist ein wichtiges Partnersystem für die Objekterkennung, denn auch wenn wir uns in einer schwierigen Lage befinden, kann das Extensionsgedächtnis Lebenserfahrung beisteuern und so zur Selbstberuhigung beitragen (z.B. wenn jemand Angst vor einer Rede hat kann man sich selbst sagen: “Bleibe ruhig! Du hast das schon einmal erlebt – es wird vorbei gehen”).
Zu viel Selbstberuhigung ist aber nicht immer gut! Wer alles Unangenehme immer nur “wegberuhigt” der kann nichts lernen.

Objekterkennung und Extensionsgedächtnis sind Partnersysteme.

Übersicht über die vier psychischen Systeme:

PSI-Theorie: Kuhl_Modell

Stimmungen regeln Verhalten und Erleben

Positive Stimmung fördert Initiative

Nehmen wir ein Fallbeispiel aus der Coachingpraxis:

Ein Geschäftsführer sucht die Beratung auf, da er sich ausgebrannt und wenig motiviert fühlt. Er beschreibt sich als antriebslos. Eine große Zahl von Aufgaben müssen erledigt werden – er findet aber immer weniger die Motivation dazu und verliert im Laufe des Tages häufig die Übersicht. Mehr Tatkraft und Optimismus sind die Dinge, die sich der Klient wünscht.

Nach der PSI-Theorie können wir die Probleme des Geschäftsführers funktional beschreiben: wenn die Initiative fehlt, kann häufig das System, das für die spontane und situationsgerechte Umsetzung von Absichten zuständig ist nicht aktiv werden. Aktiv wird diese intuitive Verhaltenssteuerung, wenn man sich in einer positive Stimmung befindet.
Allerdings: wenn man sich einen Berg von Arbeiten auflädt, dann wird die positive Stimmung gedämpft; das Absichtsgedächtnis dominiert. Man ist in einem sachlich-nüchternen Zustand, der für Analytik gut geeignet ist, jedoch weniger gut für aktive Umsetzung von Vorhaben taugt.

Statt nun zu analysieren, warum unser Geschäftsführer sich lustlos fühlt, kann man im Coaching einen anderen Weg gehen: wir erarbeiten mit dem Klienten, wie er schon frühzeitig merken kann, wenn er in eine lustlose Stimmung kommt und wie er in eine positive Stimmung wechseln kann. Dadurch erreichen wir, dass der Klient konkrete Ansatzpunkte findet, wie er mit sich selbst besser umgehen kann. Der Klient erlebt sich dadurch als fähig, sich selbst zu steuern und gewinnt so rascher seine Selbstwirksamkeit zurück.
Ein weiterer Ansatzpunkt zur Verbesseung der Initiative ergibt sich aus der Erkenntnis, dass die inutitive Veraltenssteuerung stark mit dem Körper vernetzt ist. Wir fördern das System, indem wir körperliche Bewegung in den Coachingplan einbauen. So haben wir in diesem konkreten Fall mit dem Klienten ein Bewegungsprogramm erarbeitet, das in den Alltag integriert werden kann (ohne zu belasten).

Gelassenheit fördert Übersicht

In unserem Beispiel wünscht sich der Klient auch mehr “Übersicht”.  Für Übersicht ist das Extensionsgedächtnis zuständig. Dieses hochvernetzte System organisiert alle Erfahrungen, umfasst unsere Biographie, Werte, Emotionen etc. An dieses System kommt man jedoch nur in einer entspannten Stimmung heran. Unter Stress dominiert die Fokussierung auf Einzelheiten. Die damit verbundene angespannte bis ängstliche Stimmungslage  versetzt den Organismus in einen permanenten Alarmzustand. Es könnte also sein, dass es unserem Klienten hilft, wenn er lernt, sich besser zu entspannen und während des Tages öfter Mal in den Übersichtsmodus zu wechseln.
Das wurde auch konkret so umgesetzt: autogenes Training wurde eingeführt verbunden mit Übungen, die Körpergefühle bewusster erlebbar machen.

Dieser funktionsanalytische Ansatz bietet erhebliche Vorteile:

  • Ansatzpunkte für Veränderungen können rasch erkannt werden
  • die Nachhaltigkeit der Veränderungsprozesse ist größer
  • Klienten erlernen selbstregulatorische Kompetenzen, die klar benannt und eingeübt werden können

TOP-Diagnostik – ein Persönlichkeitsscreening auf 7 Ebenen

Für den Praktiker bietet die PSI-Theorie ein umfangreiches diagnostisches Verfahren an (sog. TOP/EOS-Diagnostik). Das Zusammenspiel der psychischen Systeme wird aufgezeigt und die “feinmechanischen” Prozesse werden sichtbar.

Die Übersicht zeigt die Leistungen dieser Diagnostik:

PSI-Theorie: TOP-Diagnostik_ÜbersichtFür den praktischen Einsatz ist die TOP/EOS-Diagnostik von unschätzbarem Wert:

  • das funktionale Zusammenspiel der Systeme, die Affektsteuerung und persönlichen Ressourcen werden deutlich
  • die Diagnostik erhebt die individuelle Motivation in den Bereichen: Anschluss, Leistung, Macht und Freiheit und wie diese Motive umgesetzt werden.
  • unbewusste und bewusste Motivssysteme werden gemessen. Der Grad an Kongruenz/Inkongruenz zwischen diesen Motiven bietet einen wichtigen Hinweis darauf, wo es Ressourcen gibt und wie diese eingesetzt werden können.
  • die Befunde zu den Motiven bieten wertvolle Anstöße für tiefgehende Gespräche
  • die Selbststeuerungskompetenzen werden in 15 Dimensionen erhoben und bieten konkrete Ansatzmöglichkeiten zur Bearbeitung in Coaching, Therapie und Training
  • die Selbststeuerungskompetenzen werden in Beziehung zum aktuellen Stressniveau gesetzt. Daraus erkennt man, welche Kompetenzen zur Bewältigung der Anforderungen gut ausgebildet sind, und wo noch Entwicklungsbedarf besteht
  • Coaching/Therapieprozesse können somit besser geplant werden und eine Erfolgskontrolle der Arbeit ist möglich

Mehr Informationen zu diesem Testsystem: www.psi-austria.at/psi-test

An unserem Institut führen wir die Diagnostik mit allen Auswertungen durch. Wer dieses Testverfahren einsetzen möchte, kann sich bei uns zertifizieren lassen. Alle Informationen zur Zertifizierung unter www.psi-austria.at/psi-fortbildung

 

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